Gospel in Deutschland


 

Gospelmusik in Deutschland

Dieser Beitrag ist eine Ergänzung zu den Ausführungen über "Was ist Gospel", "Gospel in Europa" des "Berlin-Gospel-Web.de".

Einleitend ist es interessant anzumerken, dass Heinrich W. Schwab in seinem Artikel "Spirituals im nördlichen Europa" berichtet, dass bereits vor dem amerikanischen Bürgerkrieg - ab 1843 -  schwarzamerikanische "minstrels" in Berlin, Hamburg und Leipzig auftraten. Namentlich erwähnt werden die Ethiopian Serenaders.

1877 besuchten die Fisk Jubilee Singers anlässlich ihrer Europatournee Deutschland. Im gleichen Jahr erschien die deutsche Übersetzung ihres Buches "Story of the Jubilee Singers". 1878 traten sie in Lübeck, Kiel, Hamburg und Leipzig auf und Noten ihrer Songs konnte man käuflich erwerben. Weitere Tourneen fanden 1895 sowie 1897 statt und besonderere Aufmerksamkeit wurde dabei der Sängerin Maggie L. Porter Cole zuteil. Sie war der erste afroamerikanische Star in Deutschland. Die Hampton Singers tourten laut Schwab Deutschland 1930.

Hans Pehl hat mich aufmerksam gemacht, dass die Fisk Jubilee Singers zwischen 1925 und 1928  als Männerquartett oder -quintett in Europa unterwegs waren und nachweislich am 30.5.1925 in Berlin ein Konzert gegeben haben. Auch die Utica Jubilee Singers gaben im Herbst 1927 Konzerte in Baden-Baden, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Köln und Breslau. Diese Gruppe trat als Männerquartett auf und ließ sich von einer Pianistin begleiten. 1930 kamen sie erneut nach Europa und gaben Konzerte in München und Berlin. Andere Gruppen, die in der Vorkriegszeit Deutschland tourten, waren laut Pehl der Chor des Hampton Institute, die Kentucky Singers und die Four Harmony Kings. Einer Dokumentation über die Mitglieder der Comedian Harmonists konnte ich ferner entnehmen, dass das Hören schwarzer amerikanischer Quartettaufnahmen zur Entstehung dieser deutschen Gruppe führte. Dies wiederum lässt den Schluss nahe, dass zumindest vor der Nazizeit Schellackaufnahmen schwarzer Gospelquartette in Deutschland erhältlich gewesen sein müssen.

In den Jahren der Hitlerdiktatur galten Jazz und afroamerikanische Musik als "entartet" und Konzerte und Rundfunksendungen mit schwarzamerikanischer Musik waren verboten.

Im Nachkriegsdeutschland, auch durch die amerikanischen Besatzungssoldaten bedingt, wurde Jazz schnell (wieder) populär, so gab es Tourneen von Jazzmusikern und ein für damalige Verhältnisse ausreichendes Angebot an Rundfunksendungen und Schallplatten. Die Frankfurter Konzertagentur Lippmann und Rau organisierte 1962 das erste American Folk Blues Festival und beeinflußte damit die europäische Rock- und Beatbewegung der 60er Jahre. Das Interesse an schwarzer Musik wuchs. Gleichzeitig berichteten die Medien über Rassendiskriminierung in den Staaten und über die Aktivitäten der Bürgerrechtsbewegung, deren Basis die schwarzen Kirchengemeinden waren. Diese Berichterstattung förderte wiederum das Interesse an arfoamerikanischer Kultur. Deutsche Jazzfans hatten sich schon immer für die Wurzeln ihrer Musik interessiert, also für Blues und Gospel und in damaligen Jazzbüchern - etwa Schmidt-Joos: "Jazz-Gesicht einer Musik", ca.1961 oder Behrendt: "Das Jazzbuch", 1968 - wurde auch auf die Gospelmusik eingegangen. Bereits 1961 erschien "Das Buch der Spirituals und Gospel Songs" von Lilje, Hansen und Schmidt-Joos. Es gibt ferner weitere Bücher von Behrend (1955), Jahn (1962), Lehmann (1962) und Zenetti (1963).

Bereits 1951 tourte der Hall Johnson Choir in Deutschland und gab Konzerte in Frankfurt und Berlin.

Der "Jubilee-Style" im Quartettgesang war in den Staaten vom "Gospel-Style" abgelöst worden, das Golden Gate Quartet hatte sich Paris als europäisches Domizil ausgesucht und startete seine Europatouneen von dort aus. Auch Mahalia Jackson trat in Deutschland auf. Langston Hughes Singspiel "Black Nativity" fand am Broadway große Resonanz und startete mit Alex Bradford, zeitweise ersetzt durch Brother Joe May, mit Princess Steward und Marion Williams und den Stars Of Faith, zeitweise ersetzt durch die Robert Patterson Singers eine mehrjährige Welttournee. Eine Sendung zu Black Nativity wurde im deutschen Fernsehen zu Weihnachten 1964 ausgestrahlt. Deutschlands bedeutendste Jazzzeitschrift "Jazz Podium" griff solche, eher am Rande des Jazz befindlichen Themen und Ereignisse auf und Gospelschallplatten, etwa von Mahalia Jackson, dem Golden Gate Quartet, aber auch von den Caravans, Blind Boys, Spirit Of Memphis Quartet, Sister Rosetta Tharpe, Rev. Kelsey, den Paramount Singers etc. waren in den Plattenläden größerer Städte im Angebot.

Als Ergänzung zu den Folk Blues Festivals initiierten Lippmann und Rau 1965 das American Spiritual + Gospel Festival mit Inez Andrews und den Andrewettes (Elaine Davis war Mitglied der Andrewettes und zwei Jahre später Mitglied der Patterson Singers), den Five Blind Boys Of Mississippi (sie gingen anschließend auf Zusatztournee in "kleinere" deutsche Städte) und Rev. Kelsey. Über dieses Festival wurde eine Fernsehsendung gedreht und eine Schallplatte produziert. Auch die Mitglieder des 66er Festivals, wiederum Kelsey, dann die Harmonizing Four, die Gospelaires und die Dorothy Norwood Singers (Inez Andrews und Dorothy Norwood waren "alte" Caravans-Kolleginnen) wurden im folgenden Jahr ebenfalls in einer Fernsehsendung vorgestellt, dieses Festival erschien nicht als LP. Leider war das 67er Festival mit den Mighty Clouds Of Harmony, den Robert Patterson Singers, Rev. Cleophus Robinson und Sister Josephine James das letzte dieser Reihe, aber es gab wiederum eine Schallplatte. Ein paar Jahre später,1970, sollte Sister Rosetta Tharpe bei einem kombinierten Blues- und Gospelfestival auftreten, erkrankte jedoch schwer. Für Tharpe sprangen die bereits bekannten Patterson Singers ein, die nach ihrem ersten Auftrittt beim 67er Festival jährlich erfolgreich auf Deutschlandtournee gewesen waren.

Inzwischen hatte mit Motownsound und Soulmusic der schwarze Rhythm & Blues die Discos erreicht und das Publikum fand Gefallen daran. Edwin Hawkins kam 1969 in die Charts mit "Oh Happy Day" und auch die Hawkins Singers hatten Konzertauftritte in Deutschland. Mahalia Jackson besuchte zuletzt 1969 Deutschland und auch die Stars Of Faith kamen nun regelmäßig.

Die Jazzplattenverzeichnisse 1964 und 1965/66 (Bielefelder Katalog) enthielten etliche Gospelschallplatten, der Hessische Rundfunk/HR 3 gestaltete 1965 bereits eine sonntägliche halbstündige Gospelsendung und zu den Feiertagen an Weihnachten, Karfreitag, Ostern und Pfingsten gab es auch z.B. im WDR und BR Gospelsendungen. Ende der 60er Jahre strahlte der AFN regelmäßig ein Gospelprogramm aus ("Music For The Soul"). Die 70er Jahre wiederum waren tourneemäßig eher ruhig: Chris Barber hatte Alex Bradford dabei und der Pianist der Stars Of Faith, Johnny Thompson kam mit einem eigenen Ensemble nach Deutschland. Allerdings war das Schallplattenangebot vielfältig und Tony Heilbuts Buch, 1971: "The Gospel Sound", bei Simon & Schuster erschienen, war erhältlich, ebenso die beiden zugehörigen hervorragenden Doppel-LPs. Viv Broughtons Buch "Black Gospel" erschien 1985 und bezog die britische Gospelszene der karibischen Einwanderer mit ein.

Der schweizer Konzertagentur Willy Leiser sind dann die Tourneen in den 80er Jahren zu verdanken: Die Brooklyn All Stars mit Paul Owens, die Barrett Sisters, die Dixie Hummingbirds, die Alabama Blind Boys, die Sensational Nightingales und später Bill Moss, die Newberry Singers u.a.. Bei den Jazzfestivals in Montreux, Villingen-Schwenningen und Bern stand früher regelmäßig ein Gospelkonzert auf dem Programm.

Schallplattenaufnahmen deutscher Gospelgruppen gab es bereits 1957: Das Spiritual Studio Düsseldorf produzierte auf Brunswick eine LP, Knut Kiesewetter interpretierte ebenfalls Gospels und Spirituals und veröffentlichte Schallplatten. Auf der Erfolgswelle der Edwin Hawkins Singers versuchten sich die Les Humphrey Singers mit "Rock My Soul" und in der Folge wurden vereinzelt die ersten Spiritual- und Gospelchöre gegründet, so etwa der Nürnberger Gospelchor vor über dreißig Jahren.

In Städten mit amerikanischen Garnisonen gab es wohl schon immer ein schwarzes Gemeindeleben, nur war das uns Deutschen kaum bekannt. James Cleveland soll Mitte der 80er Jahre einen Workshop in Heilbronn abgehalten haben und amerikanische Veranstalter brachten Anfang der 90er Jahre Shirley Caesar und die Winans nach Deutschland, auch Bessie Griffin, Jessy Dixon und Andrae Crouch traten - organisiert von wem ? - auf. So entstammen die Jackson Singers der Atterberry Chapel in Frankfurt und wurden 1983 gegründet.

Der Wunsch nach neuen zeitgemäßen Kirchenliedern (z.B. "Danke") war groß und die Gesangbücher der Landeskirchen wurden überarbeitet. Auch dies hat das Interesse an neuen religiösen Liedern und einer moderneren Darbietung beeinflußt.

In den 80er und 90er Jahren kam ein Interesse am "A-Capella-Gesang" hinzu. Vermutlich waren es zunächst Vokaljazzliebhaber, die diese Musik entdeckten: "Sweet Honey In The Rock" (ein Julius Cheeks-Titel lautet: "Jesus is sweeter than honey in the comb") in den Staaten und die Flying Pickets aus Großbritannien sind hier zu erwähnen sowie die Comedian Harmonists (sie hatten am Anfang ihrer Karriere ein Gospelquartett als Vorbild), deren Aufnahmen eine Renaissance erlebten. Das Angebot an Schallplatten und CDs war - auch auf Grund eines niedrigen Dollarkurses - gut und alte A-Capella-Quartettaufnahmen, etwa auf Specialty, konnte man in Plattenlädenketten finden.

Über die Entwicklung der Gospelmusik in Skandinavien weiß ich nur wenig: Die Ward Singers gaben 1959 Konzerte in Schweden. Als ich 1975 Oslos Schallplattengeschäfte nach Gospelplatten durchstöberte, fanden sich im Gegesatz zu Angeboten in Italien, Spanien und Großbritannien keine aktuellen oder interessante Aufnahmen. Das Interesse in Norwegen schien mir nicht besonders groß zu sein. Heute hat sich unterdessen eine Zusammenarbeit mit GoGospel ergeben, aber darüber wissen die Leser dieser Seite mehr als ich.

In den späten 80er Jahren wurden dann jene Ensembles zu Tourneezwecken zusammengestellt, die überwiegend heute noch Gospelkonzerte, besonders in der Weihnachtszeit, geben. Damit eroberte die Gospelmusik ein interessiertes deutsches Publikum. Wenige Agenturen, nach wie vor Willy Leiser und Rolf Schubert präsentieren Originalensembles und authentischen Gospel in Deutschland und Europa.

Seit 1993 veranstaltete Janice Harrington Gospelworkshops mit - zunächst - Charles May, dem ältesten Sohn Brother Joe Mays und Stan Lee, einem weiteren GMWA-Workshopleiter. Damit nahm sie wesentlichen Einfluss auf die deutsche Gospelszene und vielen Chorleitern und -mitgliedern wurde zum ersten Mal die Gelegenheit geboten, aktiv an afroamerikanischer Gospelmusik teilzunehmen.

Das CD-Angebot an traditionellen Samplern ist gut, es gibt zusätzlich vereinzelte Wiederveröffentlichungen und Contemporary-Fans finden ihre Stilrichtung in christlichen Buchhandlungen. Als erstes umfassendes deutschsprachiges Buch über diese Musik veröffentlichte Teddy Doering 1999: "Gospel - Musik der Guten Nachricht und Musik der Hoffnung".

Bezogen auf die Ex-DDR sei angemerkt, dass Theo Lehmann ein Buch über Gospelmusik schrieb "Negro Spirituals - Geschichte und Theologie" sowie eine Biographie über "Mahalia Jackson - Gospelmusik ist mein Leben" veröffentlichte. Die California Jubilee Singers, ein am Konzertspiritualstil orientiertes Männerquartett wurden 1964 in Dresden mitgeschnitten und anschließend auf Schallplatte veröffentlicht. 

 

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